Hippotraktor – Stasis
Es war ein wilder, abgedrehter und irgendwie faszinierender Husarenritt, mit dem Hippotraktor vor zweieinhalb Jahren von sich reden machten. Ihr erstes Album „Meridian“ platzierte sich irgendwo im extremen Prog-Feld mit starkem Djent-, Post- und Groove-Einfluss – brutal, heavy und filigran zu gleichen Teilen. Die Belgier konnten sich seither weiter einspielen, ihr Line-up festigen und als Quintett weiter am eigenen Sound schrauben. „Stasis“ profitiert hörbar von diesem nahezu unaufhaltlichen kreativen Wachstum.
Entstanden ist hochspannende Konzeptkunst, die sich dem Menschsein an sich widmet, und damit die Geschichte des Vorgängers fortsetzt. Während die Hauptfigur erstmals auf andere Personen trifft und mit diesen leben soll, entsteht Schritt für Schritt ein wuchtiges Wechselbad der Gefühle. Der initiale Druck des Openers „Descent“ steht für die Öffnung einer neuen Welt, die vorsichtig und doch mutig betreten wird. Wütende Screams voller gutturaler Energie kollidieren mit Neo-Prog-Gesang, während himmlische Melodien mit dem omnipräsenten Gummi-Twist nach einer besseren Zukunft suchen. Ein ellenlanges ruhiges Zwischenspiel überrascht durch verspielte Reduktion, die Auflösung folgt selbstverständlich.
Schon hier fällt auf, dass Hippotraktor noch mehr Zeit in die Analyse ihres Protagonisten investiert haben und ihre Musik entsprechend in verschiedene Richtungen wachsen lassen. So weckt „The Indifferent Human Eye“ gerade in der Anfangsphase Erinnerungen an Devin Townsends diverse Betätigungsfelder, wuchtig und doch schwer greifbar. Brachiale Djent-Parts mittendrin treiben die Verfremdung an. Ein paar Türen weiter gibt sich „Silver Tongue“ mit seinen viereinhalb Minuten nahezu radiofreundlich und mystisch, bevor es gewaltig und monumental wird. Und dann ist da noch die unvermeidbare Katastrophe von „The Reckoning“, über weite Strecken reduziert und anmutig, ein überraschend proggig-klassischer Track.
Tatsächlich überrascht die insgesamt etwas stärke Hinwendung zu klassischen Prog-Konzepten ein wenig, ohne jedoch komplett zu stören. Die insgesamt feinere Klinge bekommt Hippotraktor gut, zumal die obligatorischen Meshuggah– und Gojira-Ansätze erhalten bleiben. „Stasis“ mag nicht der erhoffte Sprung in neue Sphären geworden sein, konsolidiert sich dafür auf sehr hohem Niveau und unterstreicht einmal mehr die Qualitäten der Belgier, deren ganz großer Wurf in dieser Form nur eine Frage der Zeit sein sollte. Schöne, komplexe, angenehm anspruchsvolle Sache von vorne bis hinten.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 07.06.2024
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/hippotraktorband
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