Brave The Cold – Scarcity
Ob Mitch Harris noch Teil von Napalm Death ist, weiß bestenfalls das Licht. Er war weder an der letzten Tour noch am Songwriting zum aktuellen Album beteiligt, spielte aber fast alle Gitarrenspuren ein. Selbst die Band weiß nicht so genau, was Sache ist. Während also weiterhin gerätselt wird, tauchen Brave The Cold auf. Es ist dies Harris‘ gemeinsames Baby mit Schlagzeuger Dirk Verbeuren, der seit 2016 die Felle von Megadeth gerbt. Musikalisch setzt es einen wirren, teils zusammenhanglos wirkenden Mix aus Death Metal und Deathgrind, der in seiner kaputten, klinischen Übertriebenheit auf jeden Fall Interesse weckt. „Scarcity“ ist das erste gemeinsame Album des Duos.
Einfach oder gar linear ist an dieser Platte nichts, auch wenn natürlich Erinnerungen an die Grindpioniere aus Birmingham immer wieder aufflammen. Das Riff von „Hallmark Of Tyranny“ riecht beispielswiese nach Napalm Death, ebenso Verbeurens Drumming. Nach einer halben Minute dröselt sich der Track auf und mischt – gerade in Verbindung mit Logan Maders etatmäßig unterkühlter Präsentation – Death Metal und sogar etwas Industrial hinzu. Das plötzlich aufbrandende orchestrale Crescendo kommt dafür überraschend und ist ein Paradebeispiel für die gewollte Weirdness dieser Platte. In „Retrograde“ tauchen ähnlich harmonische Momente auf, bloß diesmal durch Harris‘ klaren Gesang angetrieben. Inmitten des eigentlichen Deathgrind-Chaos dieses Songs erhebt sich eine halbwegs eingängige und doch betont unbequeme Wand.
Während man wohl noch überlegt, wie man diese Eigenwilligkeit einordnen soll, ackern sich Brave The Cold bereits in das nächste Monstrum. „Upheaval“ ruft alles ab und zeigt vor allem, welch post-apokalyptischer Wahnsinn in Harris steckt; nicht nur das Quälen seiner Stimmbänder, sondern ebenso schneidende Gitarrenwände in Verbindung mit Verbeurens variantenreichem Drumming – und zum Ende hin wird es wieder melodisch bis infernal. Eine gewisse Unberechenbarkeit ist stets an Bord, die nächste Wendung scheint oftmals nur einen Drop entfernt. „Shallow Depth“ kultiviert dies, ohne komplett am Rad zu drehen. Furiose Attacken und martialischer Groove brennen sich ein. „Dead Feed“ – Grind-Sprint, Florida Death und sogar eine Prise Choral – bleibt ebenso hängen.
Problematisch an dieser Platte ist bestenfalls der Sound. Der Underground-Vibe hat etwas für sich, der nötige Wumms fehlt jedoch gelegentlich – gerade die Bassspuren scheinen ein wenig unterzugehen und erinnern entfernt an Metallicas Justice-Unterproduktion. Selbst das kann bestenfalls bedingt von einem spannenden Debüt ablenken. Was Harris und Verbeuren als Brave The Cold abziehen, ist im besten Sinne weird, verlangt Geduld und Sitzfleisch. Und doch ist dieser rasante, wuchtige und unverschämt druckvolle Mix einfach unwiderstehlich. „Scarcity“ ist eine wilde, durchgeknallte, brutal harte und zugleich clevere Platte, die sicherlich nicht an Ideenarmut leidet. Etwas mehr Nachdruck hätte den Songs vielleicht noch ein Stück geholfen, aber auch so macht dieser neue Nebenschauplatz Laune. Physisch gibt es Ding übrigens ab 11. Dezember.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.10.2020
Erhältlich über: Mission Two Entertainment
Facebook: www.facebook.com/bravethecold
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