Cave In – Heavy Pendulum

| 20. Mai 2022 | 0 Comments
Cave In

(c) Jay Zucco

Vor drei Jahren ging eine Ära zu Ende: Auf „Final Transmission“ nahmen Cave In Abschied von Caleb Scofield, ihrem ‚älteren Bruder‘ am Bass, der bei einem Autounfall tragisch ums Leben gekommen war. Damals half Nate Newton (u. a. Converge, Old Man Gloom, Doomriders) aus, der inzwischen fix ins Line-up integriert wurde und frische Impulse einbrachte – mit der nötigen Distanz, um vertraute Muster aufzubrechen, aber zugleich mit Gravitas, als ob er immer schon Teil der Band gewesen wäre. „Heavy Pendulum“ ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, der dennoch – vielleicht auch gerade deswegen – die Vergangenheit geschickt aufarbeitet und einbringt.

Alt und Neu gehen Hand in Hand, das ist die „New Reality“ dieses Albums. Tatsächlich bringt der Opener Welten zusammen, die von derbem Riffing zwischen Post-Hardcore und Sludge bis hin zu spacigen Leads und Vocals reichen. Newtons ruppige Backings im Refrain fahren durch Mark und Bein, verpassem dem Song noch mehr Dreck. Hier schwingt sogar ein wenig Mutoid Man mit. Im anschließenden „Blood Spiller“ wird das Quartett ausnahmsweise sogar politisch, begleitet von trippigem Prog mit Mastodon-Schlagseite und wunderbar verwaschenen Harmonien. Zudem wollte man an Newtons frühere Band Channel erinnern, was prima gelang.

Scofields Präsenz ist weiterhin greifbar. Während sich die Lyrics von „New Reality“ um den verstorbenen Mitstreiter drehen, stammt der Text zu „Amaranthine“ sogar vom ehemaligen Tieftöner. Brodsky und Newton pushen sich gegenseitig am Mic, der abgedrehte Song erinnert mit seinem bärbeißigen Auftreten an das Frühwerk. Erstmals seit „White Silence“ greift Gitarrist Adam McGrath wieder zum Mikrofon, gestaltet das meditative „Reckoning“ zu einem proggigen Unruheherd zwischen den „Antenna“-Nachwehen und beklemmenden Tool. Noch unruhiger wird es nur im abschließenden „Wavering Angel“. Der Zwölfminuter durchlebte in den letzten Jahren mehrere Instanzen, wäre sogar fast zum Mutoid Man-Track geworden und ist nun doch bei Cave In gelandet – beklemmend, ausladend, mit zweistimmigen Gitarrenharmonien ein überraschend klassischer und doch aufwühlender Track.

Und damit kratzt man bestenfalls an der Oberfläche, denn Cave In spucken gleich 70 Minuten an neuer Musik aus, die sämtliche Phasen der seit 1995 andauernden Karriere des Quartetts durchlebt und doch zu frischen Ufern auftritt. „Heavy Pendulum“ ist unruhig und in sich ruhend, ein Wechselspiel der Widersprüche, wie es nur die US-Veteranen beherrschen. Unwahrscheinlich brachiale Momente, spacige Sinnsuche, dicke Hymnen und aufbrausende, sperrige Befindlichkeiten geben sich eine überdimensionale Klinke in die Hand, die trotz opulenter Spielzeit keinerlei Füllmaterial aufweist, herausfordert und doch nie überfordert. Cave In schweben weiterhin auf einem erstaunlichen Hoch und erfinden sich neu, ohne alles umzuwerfen – eine grandiose Platte, die nicht so schnell loslässt.

Wertung: 9/10

Erhältlich ab: 20.05.2022
Erhältlich über: Relapse Records (Membran)

Facebook: www.facebook.com/CaveIn.Official

Teile diesen Artikel

Tags: , , , , ,

Category: Magazin, Reviews

Demonic-Nights.at - AKTUELLES