Akersborg – Feelantropicoco
Die erst im Vorjahr gegründeten Akersborg halten offenkundig herzlich wenig von Vorgaben und Schubladen. Zumindest scheint der chaotische, weitestgehend im Screamo verwurzelte Sound des Quintetts aus Olso exakt das auszudrücken. Brachiale Härte und feinsinnige Pop-Melodien finden auf gekonnte Weise zusammen und legen den Grundstein für den musikalischen wie lyrischen Versuch, der Realität zu entkommen. „Feelantropicoco“ entsteigt fantastischen Welten mit purem Wahnsinn.
Wie „Breaking Out Of The Odyssey“ sofort aus den Boxen explodiert, ruppige Math-Passagen mit klaren Harmonien vermengt und dann wieder komplett am Rad dreht – das erinnert an The Dillinger Escape Plan mit Mike Patton. Und das beschreibt bloß die ersten 20 Sekunden, denn das ist nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Ein jazziges, leicht synthetisches Break macht Platz für entfremdeten, engelsgleichen Pop, dann purzeln die Norweger einen nicht enden wollenden Abhang hinab, bevor ein weiterer eingängiger Einschub das Finale einläutet und direkt in das ominöse „Never Ever Nothing“ führt. Eine gewisse eindringliche Bosheit lässt sich ebenso wenig von der Hand weisen wie das Mehr an Energie, begleitet von rasenden Harmonien.
Akersborg haben damit aber noch lange nicht genug und wollen immer mehr. „Pit Reflections“ setzt mit wachsender Begeisterung auf Sprechgesang, während die Band verspätet einsetzt und immer lauter wird. Ein harscher Mittelteil geht nur kurz durch die Decke, bevor man sich im Arrangement verliert. Das ellenlange „Dags Marina“ baut immer wieder episch angehauchte Klangbögen ein, unterbrochen durch brachiale Husarenritte mit schwarzmetallischer Prägung, die schon mal an Kvelertak erinnern. 80s-New-Wave-Synthetik setzt einen gekonnten Gegenpol. Hingegen springt einem „Et jävla liv vi lever“ förmlich entgegen, insgesamt dem Hardcore näher, dennoch voller poppiger Momente und mit einem Chorus, den man fast mitbrüllen muss.
Was Akersborg in diesen 26 Minuten vorhaben, stellt immer wieder vor Rätsel, doch liegt gerade darin der Reiz dieser schrägen wie kurzweiligen Platte. Ist das jene Genre-Evolution, die Refused bereits vor Jahrzehnten einläuten wollten? Zumindest gibt „Feelantropicoco“ herzlich wenig auf Erwartungen und Vorhersehbarkeit, selbst für Math- und Screamo-Konventionen. Derbe Wutausbrüche und vertrackte Rhythmik auf der einen, Pop und synthetische Hymnen auf der anderen Seite, außerdem ganz viel dazwischen – hier kommt zusammen, was unerwartet harmoniert und unterhält. Was für ein schräges Teil.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 17.11.2023
Erhältlich über: Vinter Records
Website: feelantropicoco.com
Facebook: www.facebook.com/akersborg
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