Kvelertak – Endling
Neuer Sänger, neuer Schlagzeuger, neue Ideen, alte Qualität – was anderen Bands das Genick gebrochen hätte, sahen Kvelertak offensichtlich als Chance. Die Spielwiese „Splid“ wurde zum Überflieger, auch wenn die dazugehörige Tour ins virenhatige Abwasser fiel. Gleich drei Produzenten mussten für den Nachfolger herhalten, um die kreativen Köpfe und wilden Ideen zu bändigen. Dieses Mal gibt es keine Gäste, man singt und brüllt wieder ausschließlich auf Norwegisch, öffnet sich musikalisch dafür mehr denn je Punk- und klassischen Rock-Klängen. „Endling“ meistert höchste Hürden mit bestechender Leichtigkeit.
Ausgerechnet der Auftakt fällt etwas holprig aus. Hätte „Krøterveg te helvete“ knapp acht Minuten dauern müssen? Wohl kaum, zumal sich das ellenlange Intro treiben lässt und kein Ufer findet. Es dauert dreieinhalb Minuten, bis sich ein imaginärer Schalter umlegt und Kvelertak langsam in Fahrt kommen. Dann setzt es dafür gewohnte Qualität – schäumend und bissig, scharfkantig, zugleich voller Harmonien. Hier werden die Stärken von gleich drei Gitarristen ausgespielt, die Riffs fallen noch eine Spur rockiger aus, zarte Harmonien halten zusehend Einzug. Danach fällt „Fedrekult“ mit der Tür ins Holz, stolziert auf und ab, wechselt schwarzmetallische Sprints mit glammigem Chic ab. Das sollte eigentlich nicht funktionieren können und dürfen, geht aber nicht mehr aus dem Ohr.
Zwei weitere überlange Songs unterstreichen die Qualitäten der Norweger. Da wäre unter anderem das vorab präsentierte „Skoggangr“, zwischen drückendem Hardcore-Punk-Midtempo-Stomper und ätherisch-proggiger Rock-Hymne angesiedelt, schrill und harmonisch zugleich. Erinnerungen an Turbostaat und Queen werden wach, rundherum wird es in bester Mastodon-Manier kauzig. Hingegen scheint „Døgeniktens kvad“ nur einen Blastbeat vom Chaos entfernt, lässt plötzlich ein Banjo ertönen und stürzt sich in kaputte, raue Strophen. Himmlische Sprints, martialisches Stampfen, klassische Rock-Fanfaren – nichts davon ergibt für sich Sinn und macht doch Laune. Das furiose „Paranoia 297“ mit Scandi-Rock-Vibe grüßt sogar im Vorbeigehen die Cancer Bats.
50 Minuten lang passiert grenzwertig viel, und doch möchte man nichts von diesem abgefuckten Höllenritt missen. Die klassische, vogelwilde Kvelertak-DNA bleibt erhalten, so viel sei direkt festgehalten. Sie kriegt bloß einen deutlichen Rock- und Punk-Einschlag, nimmt ebenso proggige Motive mit und schafft damit einen spektakulären Kontrast zu schwarzmetallischen Extremen und Hardcore-Muskelspielen. Bei aller vermeintlicher Überladenheit findet „Endling“ stets die perfekte Mitte und schreibt zehn Songs, die einfach nicht zu wachsen aufhören wollen, die beim ersten Durchlauf vielleicht noch kleinere Fragezeichen aufwerfen, nur um schließlich alles zu überstrahlen. Die musikalische Evolution im Kleinen setzt sich gekonnt fort und schüttelt den nächsten überdimensionalen Überflieger aus dem Ärmel.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 08.09.2023
Erhältlich über: Rise Records / BMG Rights Management (Warner Music)
Website: www.kvelertak.com
Facebook: www.facebook.com/Kvelertak
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