Kind – Close Encounters
Eine seltsame Stimmung begleitete die Arbeiten am nunmehr dritten Album der prominent besetzten Kind. Man befand sich noch in den Ausläufern der Pandemie und Lockdowns, zudem setzte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ein. Diese in vielerlei Hinsicht schwere, geradezu erdrückende Zeit schlug sich auf die Aufnahmen, Riffs und Texte nieder. „Close Encounters“ bemüht frische Ansätze inmitten der nunmehr bewährten Mischung aus Stoner, Psych und Doom, und schraubt die Heavyness weiter nach oben.
Songs wie „Snag“ explodieren förmlich aus den Boxen und wirken doch zurückhaltend. Hohes Tempo brauchen Kind nicht, grooven sich stattdessen schnell ein und bauen eine massive Riffwand auf. Die Stoner-Vibes waren selten so eingängig, fast schon poppig. Hingegen überdreht „Power Grab“ ein wenig, bevor der Refrain zu dicken, überlebensgroßen Harmonien findet. Es geht aber auch ganz anders, wie das abschließende „Pacino“ recht eindrucksvoll zeigt. Was vergleichsweise geradlinig rockend und drückend beginnt, lässt mehr und mehr Eigenwilligkeit erkennen. Gewisse Kraut-Elemente, die nicht zuletzt Elder-Einfluss aufweisen, setzen sich vermehrt durch. Speziell die zweite Hälfte schwebt auf Wolke Psych und geht nicht mehr aus dem Ohr.
Das Eröffnungsduo bemüht wieder leicht andere Ansätze. Da wäre einerseits „Burn Scar“, der vertrackte Auftakt, der um den passenden Rhythmus ringt, holpert und doch klar und deutlich nach vorne geht. Stoner-Doom trifft auf Prog-Konzepte und bäumt sich zu massivsten Klangwänden auf – ein einfaches und zugleich unfassbar starkes Rezept, dessen Gesangsharmonien eingängiger denn je ausfallen. Danach hat „Favorite One“ tatsächlich das Zeug zum Favoriten, nimmt das Tempo über weite Strecken hinaus und wagt sich in klassische Doom-Sphären vor. Süffige Melodien, ein ausuferndes Gitarrensolo und dezente, konzentriert eingesetzte Psych-Vibes im Abgang sorgen für die nötige Würze.
Keine große Revolution oder Umwälzung, sondern einfach ’nur‘ mehr von allem: Kind werfen auf ihrem dritten Album letzte Fesseln ab und gehen aus sich heraus. „Close Encounters“ fällt deutlich massiver und vielschichtiger als seine bereits aufregenden, gerne mal unvorhersehbaren Vorgänger aus. Kraut- und Prog-Vibes treten etwas stärker hervor, dezentes Pop-Appeal mischt sich unter die Harmonien, selbst auf Doom-Ebene geschieht mehr. Das Quartett zeigt sich stärker, kreativer und spielfreudiger denn je – und das kann gewiss nur der sprichwörtliche Anfang gewesen sein.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 11.08.2023
Erhältlich über: Ripple Music (Bertus)
Facebook: www.facebook.com/KINDtheband
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