The Hirsch Effekt – Eskapist

| 18. August 2017 | 0 Comments
The Hirsch Effekt

(c) Long Branch Records

Wenn man glaubt, es geht nicht mehr, kommen von irgendwo The Hirsch Effekt daher – und machen alles noch chaotischer. Die vielleicht komplexeste Metal-Band Deutschlands wagt sich nach abgeschlossener Holon-Trilogie nun an das Album danach. Zurückstecken? Von wegen, denn jetzt wird der Prog-, Math- und Sludge-Hybrid erst recht intensiviert. „Eskapist“ verbindet rasenden Wahnsinn und cleveres Songwriting mit sozialkritischem Biss.

Anstatt sich zurückzulehnen, gibt das Trio von der ersten Sekunde an Gas. Ein spitzer Schrei, hektische Instrumentierung mit Math-Riff und mittenrein in das mächtige „Lifnej“. Im Laufe dieser sechs Minuten werden The Dillinger Escape Plan zitiert, schwebt mächtiger Klargesang durch das Arrangement, ja, bleibt sogar ein wenig Platz für Jazz- und Anti-Pop-Breaks. Wer es hingegen vergleichsweise stromlinenförmig mag, wird im eingängigen, durchaus hymnischen „Inukshuk“ fündig. Stellenweise erinnert die methodischen Chaoten sogar an die melodischen Momente ihrer Landsleute Callejon, bleiben dabei aber deutlich zynischer und bedrohlicher.

Sozialkritik und Alltagsbeobachtungen sind ein wichtiger Bestandteil dieser Platte. Der wütende, vergleichsweise kurze Dampfhammer „Aldebaran“ versucht das Phänomen Reichsbürger zu verstehen, während sich die Math-Ballade „Berceuse“ und das herrlich verwirrende „Xenophotopia“ mit dem erschreckenden Aufstieg von Rechtspopulismus auseinandersetzen. An „Lysions“ werden sich freilich die Geister scheiden. Die 14minütige Mini-Oper über die Volkskrankheit Alkoholismus illustriert den Absturz und Verfall eines Abhängigen in mehreren schauderbaren Kapitel. Musikalisch mit teils brachialen Sprüngen ausgepolstert, werden hier Hörgewohnheiten auf die Probe gestellt.

Tatsächlich machen The Hirsch Effekt ihr Versprechen (wahlweise auch: ihre Drohung) wahr und rasten auf dem ersten Album nach dem Holon-Wahnsinn noch stärker aus. „Eskapist“ fällt, wie erwartet, überaus gewöhnungsbedürftig aus. Von der fragilen Ballade bis zum vertrackten Powerhouse ist hier tatsächlich alles dabei, zusammengefasst auf über einer Stunde Musik. Schwer greifbar und doch faszinierend – eine Platte für Geduldige, die immer und immer wieder für die investierte Zeit mit grandiosen Momenten entlohnt.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 18.08.2017
Erhältlich über: Long Branch Records (SPV)

Website: www.thehirscheffekt.de
Facebook: www.facebook.com/thehirscheffekt

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Category: Magazin, Reviews

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