The Hirsch Effekt – Solitaer

| 25. August 2022 | 0 Comments
The Hirsch Effekt

(c) Christoph Eisenmenger

Als die Pandemie Tour-Aktivitäten unmöglich machte, entschieden sich The Hirsch Effekt, endlich ein ersehntes Orchesterprojekt zu realisieren. Corona dauerte jedoch länger als erwartet, was nicht nur die Aufnahmen zum exquisiten „Gregær“ erschwerte, sondern auch danach erhofften Plänen einen Riegel vorschob. Also wagte man ein anderes Experiment und deutete Social Distancing zum Instrument um. Jedes Mitglied schrieb und spielte einen Song auf „Solitaer“ komplett in Eigenregie ein. Entsprechend vielfältig, ungewöhnlich und doch irgendwie vertraut gestaltet sich das Ergebnis.

„Palingenesis“ stammt aus der Feder von Ilja John Lappin, der den Kampf aus der Isolation zurück zum eigenen Ich beschreibt. Hier kommen so ziemlich alle Hirsch Effekt-Extreme durch, bloß überhöht. Brachiale Sprints, die gerne mal mit Post Black Metal kokettieren, treffen auf proggige Auflösungen mit Klargesang – ein Spagat, der durchaus Borknagar zitiert, und doch prima in den Bandkontext passt. Das gilt auch für „Nares“ von Nils Wittrock, das zwar etwas Zeit braucht, um so richtig in die Gänge zu kommen, dann allerdings mit Riffing und Drive von Machine Head überrascht. Ein wenig Modern Thrash schwingt tatsächlich mit, aber eben auch der etatmäßig verkopfte Math-Prog, der sich mit wachsender Begeisterung selbst zerlegt und sogar Platz für eine kleine Hymne lässt.

Drummer Moritz Schmidt tat sich mit dem Experiment laut eigenen Angaben besonders schwer. „Amorphus“ wurde aus diversen Parts, die mehrere Jahre herumlagen, zusammengekleistert, zudem griff er erstmals zum Mikrofon. Vielleicht soll das die Erwartungen senken, doch ist der Track richtig unterhaltsam geworden. Gerade die verzweifelten Screams kommen verdammt gut, das leicht melodische Auge des Sturms harmoniert prima mit ruppigen Math-Zuckungen. Den Rausschmeißer mimt „Gregær“, nun allerdings in der reinen Band-Version von The Hirsch Effekt. Die ohnehin spannenden Qualitäten des Songs kommen hier ganz anders durch, frisch und doch krachend. Auch bekommt der überwiegend melodische, zugleich stürmische Anstrich dem Trio so richtig gut.

Das Songwriting-Experiment gelingt auf ganzer Linie. The Hirsch Effekt zeigen auf „Solitaer“ – physisch übrigens im Bundle mit „Gregær“ erhältlich – eine neue und doch vertraute Seite, so sperrig wie eingängig, komplex wie klar. In einem gewissen Maß wird klar, woher welcher Schwerpunkt auf den regulären Platten kommt, wiewohl die Ideen prima miteinander harmonieren und selbst bei zunächst verwunderlicheren Einflüssen stets zur verkopften, anspruchsvollen und immer bewegenden Abrissbirne finden. Auch dieser etwas andere Ansatz bekommt dem Trio gut. Falsch können sie aktuell offenkundig nichts machen.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 26.08.2022
Erhältlich über: Long Branch Records (SPV)

Website: thehirscheffekt.de
Facebook: www.facebook.com/thehirscheffekt

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Category: Magazin, Reviews

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