Whitechapel – Hymns In Dissonance

(c) Alex Morgan
Von einem Extrem zum nächsten: Whitechapel hatten sich zuletzt um musikalische Öffnung bemüht und vor dreieinhalb Jahren mit „Kin“ ihr – für Band-Verhältnisse, versteht sich – bis dato eingängigstes Werk vorgelegt. Darauf folgt nun eine Kurskorrektur. Es soll bewusst keinerlei Nettigkeiten oder auch nur halbwegs zugängliche Sounds geben. Stattdessen wollte das Sextett sein bislang brutalstes Album schreiben. In „Hymns In Dissonance“ geht es um einen Kultisten, der neue Anhänger um sich scharen will. Ein gemeinsam intonierter bösartiger Choral soll ein Portal öffnen, das in extreme Untiefen führt.
Während die ersten beiden Tracks das Unterfangen vorstellen, befasst sich der Rest mit den sieben Todsünden, durch ein kurzes Instrumentalstück unterbrochen. „Prisoner 666“ leitet die Vorarbeit ein und drückt sofort an die Wand. Whitechapel rücken die Extreme in den Vordergrund und gestalten ihren Deathcore so brutal, so unnachgiebig wie menschenmöglich. Gewaltige Nackenschläge und eine gesunde Portion Groove finden zusammen, von Beatdown-Visionen, Cyber-„Melodik“ und unheimlicher Intensität begleitet. Danach legt der Titelsong „Hymns In Dissonance“ seine Untergangsvision dar. Immer wieder sackt das Geschehen in sich zusammen, ringsum von progressiv angehauchten Klängen und klassischem Death Metal begleitet.
Dieser Spagat zieht sich natürlich auch durch die Auseinandersetzung mit den Todsünden, selbstverständlich so brutal und zermürbend wie menschenmöglich dargeboten. Wie „The Abysmal Gospel“ über weite Strecken das Tempo herausnimmt und hochmütig in Richtung Fall marschiert – ein kleines Highlight. Selbst wenn Whitechapel zwischendurch den Turbo reinhauen und sogar Platz für ein kleines Gitarrensolo finden, ist alles eitel. Am ehesten knüpft „Nothing Is Coming For Any Of Us“ an die letzten Platten an. Die Wolllust wird mit erstaunlicher Melodik versehen und büßt doch rein gar nichts an Brutalo-Synergien ein. Das Langformat bekommt der US-Band bestens. Wer hingegen auf die frontale, abgefuckte Action steht, die hier kultiviert werden soll, wird beispielsweise in „A Visceral Retch“ fündig und lässt sich von Völlerei mit maximaler Dissonanz einen vor den Latz knallen.
Mission: Erfolg. Whitechapel machen alles kurz und klein, was sich in den Weg stellt, kehren zur unnachgiebigen Wucht der Anfangstage zurück und legen sogar noch einen drauf. Dennoch vergisst man keinesfalls auf die Qualitäten der letzten Platten, sondern packt Anteile des erstarkten Songwritings in den Mix und überlegt sich im besten Sinne etwas. „Hymns In Dissonance“ kann musikalisch und konzeptionell überzeugen, torpediert sämtliche Sinne gleichzeitig und bringt selbst im x-ten Beatdown geradezu progressiven Spielwitz mit, den man jahrelang vergeblich gesucht hatte. Einmal mehr erweisen sich Whitechapel als Meister des Wahnsinns.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 07.03.2025
Erhältlich über: Metal Blade Records (Sony Music)
Website: whitechapelband.com
Facebook: www.facebook.com/whitechapelband
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