Thrice – Horizons/West

(c) Atiba Jefferson
Seit über einem Vierteljahrhundert zeigen sich Thrice als Band, die Grenzen sprengt und sich gerne kreativen Herausforderungen stellt – von mehrteiligen Konzeptalben über Neuaufnahmen bis hin zu durchaus krassen musikalischen Einschnitten. Die letzten Jahre verbrachte das Quartett unter anderem mit Aktivitäten zum 20. Jubiläum von „The Illusion Of Safety“ und „The Artist In The Ambulance“, nahm zweitere Platte sogar komplett neu auf. Das hinterließ hörbar Eindruck und wirkte sich auf die Ausrichtung von „Horizons/West“ aus, dem ersten regulären Album seit vier Jahren.
Wer angesichts des Titels nun stutzig wird: Ja, das hier ist eine direkte Fortsetzung von „Horizons/East“. Während der Vorgänger den Horizont als Ort des Aufbruchs und Anfangs sah, orientiert sich der Nachfolger am Sonnenuntergang, dessen schwindendes Licht sowohl tröstend als auch angsteinflößend ausfallen kann. Das eröffnende „Blackout“ fühlt sich in dieser Mehrdeutigkeit bestens aufgehoben, lässt Dustin Kensrue mit ruhiger und fester Stimme zu elektronisch befeuerter Reduktion singen. Der Track wird lauter und lauter, geht im Schlussakt komplett durch die Decke, holt Hardcore und Punk hinzu. Klassischer Post-Hardcore bestimmt das Geschick im folgenden „Gnash“, das zwischen versuchter Harmonie im Gesang und erstaunlich wütenden Screams pendelt – definitiv vom zuletzt betourten Frühwerk beeinflusst.
Das heißt aber keinesfalls, dass Thrice die jüngeren Entwicklungen über den Haufen werfen. Im magischen „The Dark Glow“ leuchten bittersüße Melodien besonders hell. Zwischen den ruhigen, intimen Strophen und dem aussdrucksstarken, gequält anmutenden Chorus gibt man sich grandios und intensiv auf allen Ebenen. Auch „Albatross“ mag seine Alternative-Klänge, erinnert stellenweise an die besten Zeiten von Dredg und fackelt ein beklemmendes Melodiefeuerwerk ab. Hingegen kann „Vesper Light“ faszinierende Pop-Ansätze mit wütenden Salven vermengen. Der mittlerweile typische, unfassbar drückende Bass wird zum Motor. Und wer dann doch einen Abräumer braucht, lässt sich „Holding On“ und „Crooked Shadows“ entgegenwehen – erstaunlich heavy und kompromisslos, zugleich durch und durch Thrice.
Und so bringt das Quartett verschiedene Phasen seiner Karriere erfolgreich zusammen und denkt den unorthodoxen Mix auf spannende Weise weiter. Ein gewisses Maß an Härte findet hörbar dominanter, lautstärker statt. Zugleich bleibt das kunstvolle Suchen späterer Jahre erhalten. Proggige und elektronische Töne sind dank verschiedener Interludes, Intros und Outros noch stärker vertreten und verleihen dem so vielschichtigen Album dennoch einen ungemein homogenen Gesamteindruck. Anders gesagt: „Horizons/West“ findet einen hochspannenden Weg, den eigenen Sound weiterzudenken, und setzt nach all den Jahren frische Duftmarken. Thrice zeigen sich musikalisch in bestechender Form und legen ein absolutes Highlight in ihrem ohnehin sehr starken Katalog hin – heavy, verspielt, kunstvoll, beklemmend, erhaben und ausdrucksstark.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 03.10.2025
Erhältlich über: Epitaph Records (Indigo)
Website: thrice.net
Facebook: www.facebook.com/officialthrice


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