Kora Winter – Bitter

| 12. September 2019 | 0 Comments
Kora Winter

(c) Marcus Zumbansen

Selbstfindung versus Selbstmitleid – was passiert, wenn die Gedankenwelt an einem dunken Ort angelangt ist und dort feststeckt? Kora Winter wollen sich nicht in Selbstaufgabe suhlen, sondern suchen einen Weg aus der Depression. Nach zwei spannenden Kleinformaten bannen die fünf Berliner ihren anspruchsvollen, angenehm durchgeknallten Sound nun auf Platte. Das Debütalbum „Bitter“ nimmt Math, Prog, Post-Hardcore und verschiedenste Metal-Spielarten auf unnachahmliche Weise mit.

Unter anderem teilten sich Kora Winter die Bühne mit The Hirsch Effekt und Rolo Tomassi, womit – neben den ganz frühen, kompromisslosen Callejon – auch schon die passende Sound-Referenz gefunden wäre. „Coriolis“ bringt den Wahnsinn auf den Punkt. Mit über acht Minuten Spielzeit ist es das Herzstück dieser Platte und eskaliert immer wieder aufs neue. Schrille Botch-Gitarren, angedeutete Polyrhythmik und deutsche Texte entführen in eine Art emotionalen Mahlstrom. Mit chirurgischer Präzision legt das Quintett sein Innerstes offen und zerlegt die musikalische DNA in sämtliche Einzelteile. Zart mäandernde Ruhe, hymnische Elemente und pures Chaos geben sich die Klinke in die Hand. Da braucht es schon ein paar Durchläufe, bevor aus dem wahnwitzigen Arrangement eines der besten Epen des Jahres reift.

Aber auch der Rest des Albums wird zum Siegeszug. „Stiche II“, der Anknüpfungspunkt zur EP „Welk“, suggeriert Aufbruchsstimmung und explodiert erst spät, dafür heftig. „Bitter“ zitiert zunächst die Queens Of The Sone Age, dann beginnt die höllische Abfahrt in tiefste Abgründe. Wütende, frontale Attacken treffen auf beinahe sakrale Untertöne, sogar ein Hauch von Slam mischt sich unter Prog und Math. „Deine Freunde (kommen alle in die Hölle)“ geht wohl als Radiosong der Platte durch, weist so etwas wie einen eingängigen Refrain auf, und dreht letztlich doch komplett am Rad. Die bleierne Schwere von „Hagel“ samt Gitarrensolo mit Störsignalen frisst sich ebenfalls binnen Sekunden ins Kleinhirn.

Wie schon bei The Hirsch Effekt dürfte die Summe der einzelnen Teile eigentlich keinen Sinn ergeben, und doch fügen sich die Puzzleteile dieses Einstands nach und nach zu einem unerwarteten Meisterwerk zusammen. Kora Winter deuteten auf ihren beiden EPs bereits Unmengen an Potenzial an, jetzt explodieren sie. „Bitter“ ist alles andere als musikalisches Fast Food. Die einzelnen Spuren, Stimmungen und Ideen wachsen mit jedem Durchlauf weiter zusammen. Hinter dem kontrollierten Chaos stecken packende Ideen, viel Leben und Liebe zur Musik. Ist „Bitter“ das beste Debütalbum des Jahres? Das klingt gar nicht so abwegig.

Wertung: 9/10

Erhältlich ab: 13.09.2019
Erhältlich über: Auf ewig Winter

Website: korawinter.de
Facebook: www.facebook.com/korawinterband

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Category: Magazin, Reviews

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