Wang Wen – Sweet Home, Go!

| 28. September 2016 | 0 Comments
Wang Wen

(c) Both Bin

Instrumentale Gitarrenmusik – eine Sprache, die rund um den Erdball verstanden wird. Selbst in China, Reich der Mitte, finden sich Post-Rock-Vertreter. Wang Wen gibt es bereits unglaubliche 17 Jahre, ihre Musik schwappt erst jetzt nach und nach gen Europa. Kurz nach dem ambitionierten Projekt „In Course Of The Miraculous“, der auf einer Improv-Performance basierende Soundtrack für einen neunstündigen Film, kommt nun das reguläre Studioalbum „Sweet Home, Go!“, mit dem sie die ruhigere Seite des Genres beleuchten.

Mit 74 Minuten reizen Wang Wen die klassische CD-Spielzeit vollends aus und philosophieren über die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit, über plötzliche Änderungen und damit verbundene Angstzustände. Minutiös baut die Band ihren Sound auf, der mitunter selbst für Post Rock ungewöhnliche Blüten treibt. Ein „Heart Of Ocean“ mit Klavier- und Blechbläsereinsatz gibt sich stellenweise wie atmosphärischer Zeitlupen-Jazz. Nach knapp acht Minuten wird es schließlich lauter, brechen erhabene Noise-Kaskaden über eine letzte, standhafte Trompete herein, bevor der Monolith im reinigenden Chaos versinkt.

Es geht aber auch typischer, beispielsweise wenn sich der Vorbote „Red Wall And Black Wall“ gemächlich aufbaut, archetypisch auf mehrere kleine Explosionen hinarbeitet und dabei dennoch ein gewisses Maß an Understatement propagiert. Hoffnungsvolle, melodische Elemente und orchestrale Andeutungen begleiten das gesamte Album. Wenn beispielsweise der über 14 Minuten lange Titeltrack „Sweet Home“ langsam aber sicher aufblüht, sich über traditionelle Klassik- und volkskulturelle Instrumentierung in ein aufbrausendes Post-Drone-Rock-Kunstwerk steigert und kurz vorm Höhepunkt leblos in sich zusammensackt, darf man sich bewegt und berührt zeigen.

Und doch, irgendwas fehlt, dass aus einem sehr guten Album ein großes Werk macht. Vielleicht hätten es ein paar zwingende Momente mehr sein dürfen, vielleicht eine stärkere Zuwendung zu den meist nur angedeuteten orchestralen Elementen, vielleicht mehr Härte, vielleicht mehr Atmosphäre. „Sweet Home, Go!“ aufgrund dieser kleineren, ohnehin schwer greifbaren Mängeln aber abzukanzeln, wäre fatal, denn in diesem zarten Wellengang mit gelegentlichem Sturm liegt unheimlich viel musikalische Eleganz und Fingerspitzengefühl. Anders gesagt: So klingt Katharsis.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 30.09.2016
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)

Facebook: www.facebook.com/wangwencn

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Category: Magazin, Reviews

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