Christian Mistress – Possession
Die große Retro-Welle macht auch vor harten Gitarrenklängen nicht Halt. Nach klassischem AC/DC-Riff-Rock und Thrash Metal der harten Schule erleben aktuell Glam Rock und guter alter Heavy Metal der britischen Prägung ein kleines Revival. Christian Mistress beweisen, dass die New Wave of British Heavy Metal längst nicht tot ist und kerniger Frauengesang zu klassischen Gitarren auch ohne The Devil’s Blood-Hype funktionieren kann. Das Quintett aus Olympia, Washington erspielte sich bereits 2010 mit „Agony & Opium“ eine kleine Fangemeinde und setzt mit dem Relapse-Debüt „Possession“ zu einem neuen Höhenflug an.
Ein besonders klassischer 80er-Einstieg kickt das Album in Form von „Over & Over“ los mit einem Gitarrensound, der ein wenig an Gentlemens Pistols erinnert. Gerade die Riffs und kleinen Soli erinnern immer wieder an Diamond Head, Tygers Of Pan Tang und Saxon, was jedoch nicht weiter verwundert und stört, dem im Gegensatz zu zahlreichen ähnlich gelagerten Kollegen sind sowohl Produktion (leicht muffig und undergroundig, wohl aber gerade deswegen charmant) als auch Songwriting stimmig. Den Unterschied macht Frontfrau Christine Davis, deren Stimmbänder die alte Schule perfekt adaptiert haben, wie man beispielsweise im getragenen, vergleichsweise reduziert rockenden „The Way Beyond“ gut nachhören kann.
Hat man sich durch den etwas zähen Titeltrack gekämpft, beginnt die Platte erst so richtig. „Black To Gold“ erweist sich als herrlicher Querverweis an Sweet Savage und Blitzkrieg, wobei gerade die zahlreichen ausladenden Gitarrensoli das Niveau gewaltig heben. Die beiden Rausschmeißer legen erneut eine Schippe drauf: „Haunted Hunted“ schwächelt zwar im Mittelteil ein wenig, verwendet aber den Rhythmus des Diamond Head-Klassikers „The Prince“ perfekt für einen vielschichtigen Banger mit geschickt gesetzten Kanten. „All Abandon“ hingegen beginnt forsch, signalisiert eine gewisse Nähe zu Punk und deutet damit an, welche Mischung für die Thrash-Pioniere von entscheidender Bedeutung war. Dass der psychedelische Schlussteil ein wenig an The Devil’s Blood erinnert, ist wohl pure Ironie.
Starker Beginn, etwas mauer Mittelteil und furioser Schlussakt: „Possession“ macht es sich selbst nicht einfach, weiß aber mit seiner rosaroten Retro-Brille zu begeistern. Christian Mistress wirken zu jedem Zeitpunkt authentisch und hätten auch zur NWOBHM-Blütezeit hervorragend funktioniert, auch wenn eine eigene Handschrift nur bedingt erkennbar ist. Das Olympia-Quintett zitiert leidenschaftlich und spielt mit bekannten Einflüssen, reproduziert jedoch sogar in der 80er-Halb-Demo-Produktion den Geist der britischen Metal-Pioniere authentisch. Den ‚Unterschied‘ macht Christine Davis, die man getrost zu den besten jungen Metal-Sängerinnen der Gegenwart zählen darf. Revival-Revue gelungen, ohne eigene Ideen dürfte die Halbwertszeit von Christian Mistress trotz patentem Songwriting jedoch gering bleiben.
Wertung: 7/10
Erhältlich ab: 09.03.2012
Erhätlich über: Relapse Records (Rough Trade Distribution)
Website: www.christianmistress.com
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