Thot – Delta

| 6. Mai 2024 | 0 Comments
Thot

(c) Michael Thiel

Band oder Happening? Diese Frage stellt sich bei Thot immer und immer wieder. Musikalisch bemüht sich das belgische Kollektiv seit über 15 Jahren um die Sprengung von Grenzen, irgendwo zwischen Post Rock, Progressive Metal, Industrial und Avantgarde angesiedelt. Mehrere Konzeptalben und nicht minder spektakuläre EPs suchten und fanden in der Vergangenheit herrlichen Wahnsinn. An „Delta“ arbeitete man ab Ende 2019, lud sich unter anderem den mystischen bulgarischen Chor Le Mystère des Voix Bulgares sowie die tschechische Sängerin Lenka Dusilová ins Studio ein, und suchte dabei nach Antworten inmitten eines Sammelsuriums an Eindrücken, an Menschen und Orten, die collagenartig vorbeirauschen.

Die konstante Zerrissenheit von „Céphéide“ umreißt dieses Album gekonnt und gibt letztlich doch nur eine Facette dessen wider. Hauptsongwriter Grégoire Fray klingt so manisch und hyperaktiv wie eh und je, Juliette Mauduit wirkt im Vergleich ruhig und geordnet. Elektronische Untertöne und Samples, eine treibende Rhythmusabteilung und schneidende Gitarren, die zwischen mörderischen Riffs und angedeutetem Prog-Bombast pendeln, passen prima ins Bild. Das folgende „Sleep Oddity“ mit Dusilová schleicht sich langsam an, wirkt über weite Strecken balladesk und vorsichtig, scheint sich auf konstanter Suche zu befinden. Ob etwas gefunden wird? Diese Frage bleibt, wie so viele andere, natürlich offen.

Zu den Herzstücken dieses Albums zählt ohne Frage das achtminütige „Hüzün“. Große Pop-Momente und energischer Gesang treffen auf zunehmende Verfremdung. Der etatmäßige Wutausbruch mit post-metalischer Färbung kommt spät und gedämpft – die ideale Antithese zur zuvor überaus dicht gehaltenen Atmosphäre. Im frontalen „Morning Waltz“ steckt überraschende Indie- und Synth-Punk-Energie. Was gerne mal an Dúné erinnert, steigert sich mehr und mehr in sein melodisches Chaos hinein. Dort wartet bereits die zunehmende Auflösung von „Bateleur“, das im Grunde ein einziges überdimensionales Fragezeichen darstellt und auf den Schwingen der Dissonanz gen Untergang reitet.

Viel Zeit, noch mehr Geduld und ordentliche Nerven sind Schlüsselzutaten für eines der anspruchsvollsten Alben der jüngeren Vergangenheit. Nicht immer ist es einfach, Thot zu folgen, doch lohnt es sich immer. Die kreativen Gedankensprünge, die plötzlich auftauchenden und wieder verschwindenden Charaktere und Schauplätze, das Herz für Pop und Indie, aber auch für Prog und Industrial – all das verwirrt, zehrt an den Nerven und lohnt sich vollumfänglich. Die Belgier verlangen einmal mehr alles ab und entlohnen dafür fürstlich.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 10.05.2024
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)

Website: thotmusic.eu
Facebook: www.facebook.com/Thotmusic

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Category: Magazin, Reviews

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