Noorvik – Hamartia

| 22. April 2022 | 0 Comments
Noorvik

(c) Björn Stork

Noorvik verlassen nach zwei Alben frostige Sphären und wenden sich in neuer Aufstellung der griechischen Mythologie zu. Der Sound bleibt weiterhin rein instrumental, im weitesten Sinne in Post-Rock-Gefilden angesiedelt, und doch haben die Kölner viel zu sagen. „Hamartia“ befasst mit der Figur des Tantalos, ein König, dessen Gier und Arroganz letztlich zu seinem Untergang führte. Dieses selbst herbeigeführte Schicksal legen Noorvik auf die moderne Gesellschaft um, die zwar von technologischer Herrlichkeit geprägt ist, dabei jedoch sehenden Auges den unvermeidlichen Konsequenzen entgegensteuert, während eine neue Generation um Veränderung bemüht ist.

Der Opener „Tantalos“ ist besagtem König gewidmet, getragen von schroffen Untertönen und einer gefühlen Aussichtslosigkeit des Seins. In aller bleierner Schwere schleppt sich der Track durch die Lande, die nahezu aufbrausende zweite Hälfte baut eine gewisse Vorahnung auf, die „Hybris“ im Titel trägt. Melodieansätze schaffen es nie, gen Hoffnung und Optimismus auszureißen, denn darüber liegt ermattete Schwere, der konstante Trieb, die konsequente Selbstüberschätzung. Es sind schwere, nahezu bleierne Töne, die Noorvik hier anschlagen. Sie stehen ihnen überaus gut zu Gesicht.

Ein Song wie „The Feast“ muss natürlich über die Stränge schlagen, alles andere wäre lächerlich. Knapp 16 Minuten lang bemüht sich das Quartett, sich selbst zu übertreffen, reitet forsche Husarenritte, deutet jubilierende Fanfaren an und lässt doch jene ominöse Atmosphäre, die sich wie ein roter Faden durch dieses Album zieht, zu keiner Zeit vermissen. Gerade der epische, virtuose Abgang hat davon mehr als genug zu bieten. Im abschließenden „Tartaros“ findet sich Tantalos für seine Frevel gegenüber den Göttern in den tiefsten Tiefen der Unterwelt wieder, von ewigen Höllenqualen geplagt. Doomige Anleihen und schroffe Wucht sorgen für die grandiose Untermalung dieses schicksalshaften Absturzes.

Mehr denn je erweisen sich Noorvik als exzellente Storyteller, die mit wunderbarer Präzision und kreativer Freiheit klassischen Stoff in das Hier und Jetzt holen. „Hamartia“ könnte kaum aktueller sein und findet die passende cineastische Inszenierung von stellenweise monumentaler Dimension. Nahe der 70-Minuten-Marke droht die komplette Überforderung, was aber vollkommen in Ordnung ist. Es muss weh tun, gerade jetzt, gerade in der beschriebenen, behandelten Situation. Die konsequente Ausreizung der Grenzen des Möglichen, gepaart mit faszinierenden, hypnotisierenden Klangreisen, eröffnet spektakuläre Post-Rock-Sphären und sorgen ganz nebenbei für das bislang beste Album Noorviks.

Wertung: 9/10

Erhältlich ab: 22.04.2022
Erhältlich über: Tonzonen Records (Soulfood Music)

Website: www.noorvik.de
Facebook: www.facebook.com/officialnoorvik

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Category: Magazin, Reviews

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