Slipknot – The End, So Far
Das Ende naht … oder ist es doch nur ‚ein‘ Ende? Nach über zwei Jahrzehnten endet der Vertrag zwischen Slipknot und Roadrunner Records, wo die Maskenmänner seit Beginn ihrer Karriere verpflichtet waren. Es ist das Ende einer Ära, das unzählige Nummer-Eins-Platten, Platin-Auszeichnungen und ausverkaufte Megatouren, ja sogar eine eigene Festivalreihe mit sich brachten. „The End, So Far“ nennt sich das neue Werk, begleitet von einem gewissen Augenzwinkern und dem weiterhin überaus greifbaren Drang nach Experimenten.
Auf diesem ersten Album ohne Chris Fehn wartet zunächst eine faustdicke Überraschung, denn eine ruhige Nummer wie „Adderall“ hätte man eher bei Stone Sour vermutet. Semi-balladeske Töne, ein Hauch Prog Rock und angenehm mystische Retro-Atmosphäre schlagen ein neues Kapitel auf – sehr musikalisch, gekonnt mit Erwartungen brechend. Eine Balladenband werden Slipknot aber keinesfalls, das haben die brachialen Vorboten „The Dying Song (Time To Sing)“ und „The Chapeltown Rag“ bereits überaus eindrucksvoll demonstriert. Mit „H377“ setzt es zudem einen düsteren Gewaltakt, der es stellenweise mit dem Frühwerk aufnehmen kann, während die zwischenzeitliche Entschleunigung mit schwerfälligem Groove positiv überrascht.
Überhaupt ist diese Platte voller kleiner und großer Wendungen. So braucht „Medicine For The Dead“ beispielsweise sehr lange, um aus dem sprichwörtlichen Quark zu kommen, deutet immer wieder Eruptionen der brachialen Art an und bleibt doch in trippy Düsternis verhaftet, so beklemmend wie charmant. Das gespenstische XXL-Format wirkt wie eine Weiterentwicklung von „Vermilion“, klingt typisch nach Slipknot und fällt angenehm anders aus. Das gilt auch für „Finale“, ein weiterer rockiger Track mit Stone Sour-Einschlag, dem zugleich eine schizophrene Seele, ach, in seiner Brust wohnt. Das wunderbar gefährliche, undurchsichtige „De Sade“ und das kaputte „Hive Mind“ zeigen sich zugleich abgefuckt und hymnisch – noch mehr Querverweise auf den Wahnsinn von „Vol. 3“.
Alles, was „The End, So Far“ wirklich fehlt, ist ein echter Übersong. Den ganz großem Hit findet man dieses Mal nicht, dafür gibt kaum Füllmaterial und keinen wirklichen Durchhänger zu verzeichnen. Slipknot geben sich mehr und mehr wie eine Albumband, die musikalische Möglichkeiten auslotet und einst unüberwindbar scheinende Grenzen spielerisch überwindet. Poppige Momente, rockige Hymnen, progressive Extreme und derbe Nackenschläge geben sich die Klinke in die Hand. Für Slipknot bricht gewiss eine neue Zeitrechnung an. In dieser Form muss man sich um die maskierten Veteranen gewiss keine Sorgen machen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 30.09.2022
Erhältlich über: Roadrunner Records (Warner Music)
Website: slipknot1.com
Facebook: www.facebook.com/slipknot
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