Ellende – Zerfall

(c) Julian Jauk / Tonstudio Grelle Musik
Mittlerweile zählen Ellende zum schwarzmetallischen Inventar. Das Projekt des Grazer Multi-Instrumentalisten L.G. verbindet die Extreme des Genres mit emotionaler Schwere und betont beklemmender Atmosphäre. Der Blick auf elementare Themen der Zeit – zuletzt unter anderem Krieg, Tod, Trauer und Sozialkritik – liefert die nötige Würze. „Zerfall“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Von einem tragischen Ereignis im Leben des Musikers beeinflusst, dreht sich der neue Longplayer um das Gefühl, in tausend Trümmer zu zerspringen, sich mühevoll zusammenzusetzen und schließlich triumphal zu neuer Stärke zu finden.
„Wahrheit“, der erste von gleich zwei Zweiteilern auf diesem Album, bringt den Sound dieser Platte über weite Strecken auf den Punkt und wandelt seine furiose, unbändige Energie nach und nach in emotionale Schwere um. Die Vocals bleiben heiser und kantig, doch sorgen die minutenlangen instrumentalen Einschübe für jene post-metallische Epik, die Ellende so gut zu Gesicht steht. Trauernde Schwere und gallige Screams tauchen auch im langsam anrollenden zweiten Abschnitt auf, bevor der Schlussakt abhebt, mit stoischen Drums und flirrenden Gitarren ein Ende bemüht, das dennoch gefühlt offen bleibt.
Noch weiter hinaus wagt sich „Reise“, überrascht mit Vocal-Samples und sakral anmutenden Gesängen. Aus dieser mystischen Grundstimmung entsteht letztlich ein mörderischer Sprint, der alles zerlegt, bis das eigene Ende nur noch Formsache bleibt. Im Titelsong „Zerfall“ überrascht die minutenlange, durchaus melodische Reduktion zu Beginn. Aus dem mystischen Post Rock wird jedoch ohne Vorwarnung eine explosive, alles zu Kleinholz machende Horrorshow. Deckung sucht man vergebens, Sicherheit ist eine Illusion. Auch „Zeitenwende“, der zweite Zweiteiler (mit Unterstützung von Firtan und Norikum), schätzt das Spiel mit plötzlichen Eruptionen, mit falscher Sicherheit, aber auch mit majestätischer Aggression. Gerade die letzten drei Minuten erreichen einen schier unmenschlichen Siedepunkt samt verspieltem Gitarrensolo.
Die Unerträglichkeit des Seins rückt näher und näher, ringt mit den Sinn von Katharsis und bemüht zarte Hoffnung inmitten des Untergangs. „Zerfall“ ist die logische Fortsetzung des bisherigen Schaffens von Ellende und pendelt sich auf mittlerweile vertraut hohem Niveau ein. Der Post Black Metal gibt sich so vielschichtig und dynamisch wie eh und je, liebt die Unvorhersehbarkeit, aber auch diese ellenlangen nachdenklichen, instrumentalen Passagen, die tatsächlich noch einen Tacken epischer, monumentaler ausfallen. Bevor ungefilterte, rohe, unmittelbare Wut und begleitende Verzweiflung alles im Keim ersticken. Das ist – einmal mehr – richtig gut und richtig beklemmend.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.01.2026
Erhältlich über: AOP Records (Edel)
Website: www.ellende.at
Facebook: www.facebook.com/ellende.official
Category: Local Bands, Magazin, Reviews


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