Helmet – Left
Theoretisch könnte Page Hamilton bald in Ruhestand gehen. Mit 63 Jahren denkt der Veteran aber noch lange nicht ans Aufhören und schüttelt stattdessen das erste Helmet-Album seit sieben Jahren aus dem Ärmel. Die Wut ist nach wie vor da, ebenso die Energie, aber auch die Lust auf das eine oder andere Experiment. „Left“ langt beherzt zu und nimmt die noisige, metallische Power der großen Klassiker auf eine Reise durch Ideen jenseits des Tellerrandes.
Wie das eröffnende „Holiday“ direkt mit der Tür ins Haus fällt und sofort ins Ohr geht, macht Laune. Vertraute Rock- und Metal-Qualitäten, noisige Einschübe und eine der besten Melodien des gesamten Albums tragen durch anfangs etwas zusammenhanglos wirkende, später verdammt mitreißende (knapp) dreieinhalb Minuten. Während der Opener gefühlt zig Parts nahtlos zusammenkleistert, geht es „Gun Fluf“ relativ geradlinig an, langt beherzt zu und beißt sich mit seiner stoischen Art fest. Das gewinnt vielleicht keinen Kreativitätspreis, macht aber unheimlich viel Laune, speziell im grantigen Abgang.
08/15 sollte man jedoch nicht erwarten, denn schnell erwischen Helmet am falschen Fuß. Eine Slide-Gitarre und semi-balladeske Reduktion tragen das fragile, zugleich selbstbewusste „Tell Me Again“, eine der ruhigsten und zugleich schönsten Nummern dieser Platte. Hingegen gibt sich „Bombastic“ eingängig und angriffslustig zugleich. Klassische 90s-Gitarren und massive Grooves mischen mit, zudem zeigt Hamilton Arschlöchern den gepflegten Mittelfinger. Ähnliches passiert im ruppigen und zugleich luftigen „Dislocated“, das sich Politiker vornimmt, sowie im einer orangen Gefahr gewidmeten „Make-Up“. Dass sich „Resolution“ abschließend vor John Coltrane verneigt, passt ins Bild.
Hits auf der einen, weit geöffnete Scheuklappen auf der anderen Seite: Die Mischung stimmt bei Helmet. „Left“ braucht ein wenig, um ein schlüssiges Gesamtbild zu ergeben. Was anfangs all over the place scheint, findet mit der Zeit zusammen. Derbe Wellenbrecher und grantige Noise-Rocker treffen auf obligatorische Alternative-Hymnen und den einen oder anderen Versuch, neue Ufer anzusteuern. Das neunte Studioalbum ist irgendwie typisch und doch nicht – exakt das, was man sich von Helmet erwartet. Auch jenseits der 60 bleibt Page Hamilton ein Meister seines Fachs.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 10.11.2023
Erhältlich über: Sonic Tours / earMUSIC (Edel)
Website: www.helmetmusic.com
Facebook: www.facebook.com/HelmetMusic
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