Julie Christmas – Ridiculous And Full Of Blood

| 11. Juni 2024 | 0 Comments
Julie Christmas

(c) Fred Gervais

Nach einer ohne Frage viel zu langen Pause meldet sich mit Julie Christmas eine der wichtigsten Alternative- und Avantgarde-Stimmen der Gegenwart gewohnt lautstark zurück. Die US-Sängerin, Teil so illustrer Noise-, Post- und Metal-Formationen wie Made Out Of Babies, Battle Of Mice und Spylacopa, machte zuletzt im Rahmen eines gemeinsamen Albums mit Cult Of Luna von sich reden. Aktuell beim Label der schwedischen Post-Metal-Ikonen unter Vertrag, wagt sich Christmas nun tatsächlich an ihr zweites Soloalbum – das erste seit 14 Jahren. „Ridiculous And Full Of Blood“ klingt ziemlich genau so, wie man sich das von der Endvierzigerin erwartet hat, und letztlich doch im besten Sinne komplett anders.

Das vorab präsentierte „Not Enough“ umreißt den sympathischen Wahnsinn dieser 42 Minuten gekonnt und droht sehenden Auges bewusst zu entgleisen. Christmas singt, kreischt, schreit und säuselt in lockerer Abfolge, stattet das anfangs überwiegend rhythmisch gedachte Arrangement mit Vokal-Akrobatik aus, bevor sich ein wütender Klangwall mit erwarteter Sludge- und Post-Metal-Schlagseite ausbreitet – noisig und doch irgendwie hymnisch. In „Thin Skin“ glaubt man kurze Zeit sogar, so etwas wie einen Rocksong gefunden zu haben, doch der schemenhaft traditionelle Aufbau wird schnell entfremdet und von feisten Kaskaden zerschossen.

„Seven Days“ zeigt sich ominös, schraubt die Vocals in höchste Höhen, während es dahinter kratzt und köchelt. Aus der omnipräsenten nervösen Energie wird schließlich eine Art Power-Ballade mit Sludge- und Noise-Einschlag, konstant am feinen Grat der finalen Eskalation balancierend und als dramaturgische Masterclass doch so packend. Hingegen lässt „The Lighthouse“ im richtigen Moment die Leinen los und dreht komplett am Brutalo-Rad, während rundherum fast schon so etwas wie Idylle angedeutet wird. Und doch brüllt, kreischt Christmas, gar bezaubernd. „The Ash“ schleppt sich voran, spielt sogar mit Industrial-Schwerfälligkeit und ist eigentlich doch lärmiger Doom mit himmlischer Note – die nächste bizarre Episode.

Und bizarre Episoden gibt es letztlich mehr als genug, was der vorzüglichen Qualität dieses Longplayers zugutekommt. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk auf der vokalen Akrobatik der New Yorkerin, die hier tatsächlich – und mit wachsender Begeisterung – sämtliche noch so extremen Töne hervorkramt. Und doch darf man die Musik auf „Ridiculous And Full Of Blood“ nicht außer Augen lassen, so vielschichtig, intensiv, unnahbar und dennoch schmeichelnd fällt sie aus. So ziemlich alles, was Julie Christmas ausmacht, taucht in diesen 42 Minuten auf – ein von vorne bis hinten gelungener Zweitling, auf den man in dieser Form gerne gewartet hat.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 14.06.2024
Erhältlich über: RED CRK Recordings (Cargo Records)

Bandcamp: juliechristmas.bandcamp.com
Instagram: www.instagram.com/julie_christmas_official

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Category: Magazin, Reviews

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